Web 2.0 — seitdem Tim O’Reilly den Terminus erfunden oder zumindest geprägt hat, geistern viele Definitionen und Begriffsbestimmungen durch das Internet. Anfangs cool, dann Hype und nunmehr als Blasé tituliert, sehen einige Netzteilnehmer das Web 2.0 dem Untergang geweiht.
“Die Blasé platzt” — Erinnerungen an 2001 werden wach, als viele Websitebetreiber angespornt durch VC-Millionen, erkennen mussten, dass nicht genügend Umsatz generiert wurde oder die Kosten zum Betrieb der Website zu hoch waren. Die meisten meldeten Insolvenz an, die wenigsten überlebten. Und die Medien, die begeistert am Aufschwung des Internet teilnahmen, begleiteten ebenso begeistert — oder entgeistert — den Untergang. They never come back.
So passiert es heute, 7 Jahre (hat die 7 eine Bedeutung?) später, mit dem Web 2.0 wieder. Anfangs waren alle dabei, bejubelten die User und Bewertungen von Facebook, StudiVZ und anderen. Jetzt, da etwa 130% aller deutschen Studenten Mitglied bei StudiVZ sind und Berichte von niedrigen Click-through-Rates auf Werbebanner in Sozialen Netzwerken die Runde machen, will es wieder jeder gewusst haben: so toll ist das Web 2.0 nun auch wieder nicht. Und überhaupt: diese neuen Applikationen wie twitter etc. — wer braucht das denn? Anwendungen, die Zeit verschwenden und ausserdem die Qualität negativ beeinflussen — weil ja jetzt jeder mitmachen darf — jeder kann seinen Senf dazugeben. Daraus kann nichts Anständiges resultieren — das Web 2.0 hat seinen Zenit bereits überschritten.
Sagt man.
Ist das so? Ist es wirklich realistisch, dass eine Anwendung, die die Teilnahme aller ermöglicht, nicht mehr genutzt werden soll? Gibt es Beispiele in der Geschichte, dass Möglichkeiten, die Menschen hatten, ungenutzt blieben? Glauben die Miesepeter denn allen Ernstes, die Internetnutzer würden sich die neugewonnenen Web 2.0‑Freiheiten wieder nehmen lassen?
Wahrscheinlich nicht. Wahrscheinlich ist Web 2.0 die Technik für die grosse Revolution in der Kommunikation. Leser kommentieren das, was Journalisten geschrieben haben. Wähler diskutieren mit und über Politiker(n), wie Politik betrieben werden soll. Hotelbewerter entscheiden mit ihren Ratings über Wohl und Wehe von Urlaubshotels. Und so weiter und so fort.
Web 2.0 steht am Anfang. Heute, im Juni 2008, ist das Web 2.0 keinesfalls passé, sondern wir sind auf der allerersten Stufe. Wir kratzen an den Möglichkeiten, die uns die Partizipation ermöglicht. Wir beginnen gerade erst zu verstehen, welche Mitmach-Möglichkeiten Web 2.0 uns bietet. Dienste wie Twitter begeistern bereits heute Millionen von Nutzern — in 2 Jahren wird nahezu jeder Internetnutzer in der einen oder anderen Weise Twitter nutzen.
Kurzum: Web 2.0 ist meines Erachtens die wichtigste “Erfindung” der Moderne. Im Jahr 2008 sind wir auf der ersten Stufe der Nutzung von Web 2.0 angelangt. Wir Internetnutzer werden in vielen Lebensbereichen Web 2.0 als aktives Instrument zur Gestaltung unserer Umwelt nutzen.
yeah. cooler post.
Ja, wir haben eine Blasé: selbstreferenzielles businessfreies wird in die Gegend gepumpt, Copycats schleichen ums Haus, gefühlt jeder Dritte ist Investor oder mindestens Business Angel.
Macht aber nix. Denn der Boom lebt nicht vom Wagniskapital. Und die meisten der realisierten Community- oder Social-Commerce-Anwendungen lassen sich nahtlos auch in etablierte Geschäftsmodelle implementieren. Wenn Sie es dann nicht langfristig aus eigenem Antrieb schaffen.
Der Ballon ist nicht so stark aufgeblasen, deswegen wird das Platzen auch nicht so laut. Es steckt schon Geld im Web 2.0. Aber ausserhalb der USA sind das Peanuts. Börsennotiert ist ebenfalls kaum ein Unternehmen (ein Xing macht noch keinen Sommer).
Deswegen ist abzusehen, dass wir zwar eine Konsolidierung bei den Social Networks zu erwarten haben (da gibt es schon eine Reihe von, die die Welt nicht wirklich braucht) — aber ausser den Betreibern und ein paar Fans wird das niemanden wirklich stören. Die Web‑2.0‑Karawane wird auch anschliessend weiterziehen. In Richtung Web 3.0.
Vollkommen richtig. So sehe ich das auch. Schließlich haben ja auch Herr Daimler, Herr Porsche und die ganzen anderen Erfinder in Deutschland und weltweit nicht gleich die Millionen bzw. Millarden bekommen, die solche Konzerne heute verdienen. Es braucht halt eben Zeit und die sollte man dem WEB 2.0 einfach geben. Es wird Sachen geben, die verschwinden aber es wird auch Sachen geben, die Bestand haben. Es ist halt eine stetige Dynamik vorhanden, die nicht immer berechenbar ist. Gerade WEB 2.0 muss sich weiterentwickeln und darf nicht stehen bleiben. Das Problem ist vielleicht, dass in der heutigen Zeit eine gewisse Zahl von Investoren Erwartungshaltungen inne hat, die — meiner Meinung nach — viel zu überzogen sind. Gerade bei den VZ Sachen sehen ich das so. Wenn ich eine Rendite-Erwartung jenseits von 20% und höher habe, da kann ich schon mal enttäuscht werden.
@ Joachim Graf
Das klingt beinahe fatalistisch: die Web x.0 als Tools der Marketing-Industrie? Wo ist die Kreativität, die Freude über die neu gewonnene Kommunikationsmöglichkeiten?
In DE scheinen die Kommunikations-Pessimisten zu überwiegen, wie an den Kommentaren zum Artikel auf YiGG ersichtlich: http://www.yigg.de/1912067_Web_20__das_ist_erst_der_Anfang