Man möge mir diesen humorigen Einstieg in ein todernstes Thema verzeihen. Im Drogeriemarkt DM werde ich in schöner Regelmäßigkeit gefragt, ob ich eine Payback Karte besitze. Meine ebenso regelmäßig — in banger Erwartung ebenjener Frage — erschöpft gehaucht vorgetragene abschlägige Antwort wird meist mit erstaunten Blicken der Umstehenden aufgenommen: Warum hat dieser Mann keine Payback Card? Hat er es nicht nötig, zu sparen? Ist er nicht interessiert an all den Vergünstigungen und Top-Angeboten?
Doch, sparen muss er natürlich, dieser Mann, aber nein, nicht um jeden Preis. So, wie ich keine Lust habe, durch die Nutzung einer Rabattkarte mein tägliches Print-Spamvolumen um 200% zu erhöhen, muss ich auch an anderen Verlockungen unserer Welt nicht zwingend teilnehmen. Beispielsweise — und jetzt komme ich endlich aufs Thema — schalte ich in im Urlaub die Push-Funktionen meines Blackberrys aus; d.h. ein Mensch, der von morgens 8 bis Mitternacht emails, tweets und andere status updates checkt, verzichtet über ein, zwei Wochen komplett auf die in Social Media integrierte Kommunikation?
Ja.
Und es geht noch weiter: treffe ich mich mit Geschäftspartnern, sehe ich keinerlei Notwendigkeit, während unseres Gesprächs meinen Blackberry zu konsultieren — da kann er so heftig blinken, wie er mag. Ich konzentriere mich einfach auf das Gespräch. Singletasking nennt man das. Das ist für mich kein Problem, da das sogenannte Multitasking sowieso eine Chimäre ist. Ein Mensch ist nicht multitaskingfähig; übt er dennoch mehrere Dinge gleichzeitig aus (Autofahren, Radio hören, Kaugummi kauen — oder — programmieren, Musik hören) konzentriert er sich auf die wichtigste Tätigkeit — z.B. programmieren — und nutzt die Musik, um eine Schallmauer gegenüber noch störenderen Einflüssen aufzubauen.
All das ist natürlich gar keine besondere Fähigkeit: jederfrau kann kontrollieren, wieviel, wie häufig und wie intensiv ihr Kommunikationsverhalten sein soll. Aber um auf Payback zurückzukommen: dies ist der Titel des neuen Buchs des FAZ Herausgebers Frank Schirrmacher. Darin stellt er fest, dass er sich selbst den aktuellen Kommunikationstechniken nicht mehr gewachsen fühlt. Er bemerkt eine Überforderung des Menschen, der nicht dauerhaft “always on” sein kann. Im Gespräch mit meinem Isarrunde-Kollegen Michael Praetorius auf Antenne Bayern stellt Schirrmacher die Frage, ob der Mensch an einem Kommunikations-Scheidepunkt angekommen ist, der uns in eine ungewisse Zukunft einer fremd- und computersystembestimmten Zukunft entlässt.
Jeder von uns wird sicher schon einmal Überforderung durch Kommunikation gespürt haben. Und viele von uns — oft die Lebensgefährten von Menschen, die im Medienbereich arbeiten — sind genervt von der Attitüde der ständigen Erreichbarkeit und Mitteilungsbereitschaft. Wer aber hat es in der Hand, die virtuelle Kommunikation so in das reale Leben einzubauen, dass sie fördert, hilft und Spass macht — anstatt dass sie nervt, stört und stresst?
Du selbst, lieber Leser!
Das letzte: Zu Beginn der Automobilproduktion wurde gemutmaßt, dass den Menschen Geschwindigkeiten von mehr als 40 km/h nicht zuzumuten seien, da der Körper diese nicht verkraften würde. Heutzutage gibt es (Querschnitts-)Studien, die annehmen, dass beispielsweise aktive Computerspieler ihr Verhaltensweisen aufgrund ihrer spielerischen Tätigkeit verändern. Nahezu alle Prognosen zu (meist negativen) Auswirkung von Technik waren falsch. So gibt es m.E. auch keinen Grund zur Annahme, dass unsere derzeitige Generation eine tiefere Erkenntnis gefunden habe und nunmehr korrekt die Veränderungen durch Technik voraussagen könnte. Daher: Jeder möge soviel kommunizieren wie er möchte. Hört er auf die Signale seiner Umwelt und die seines Körpers, wir er hoffentlich rechtzeitig Urlaub einlegen oder zumindest den Blackberry ausschalten.
PS: Und wer den Top-Trick des Blackberry-Ignorierens wissen möchte, der lese sich ein bei Benedikt Köhler.
PS 1: Sabria David freut sich über den entstandenen Diskurs
Mit dem Blackberry im Methusalemkomplott
Ich muss gestehen, dass mich bisher die Debatte um die digitale berforderung zum Wortfhrer dieser Scheinbewegung hat sich Frank Schirrmacher gemacht wenig berhrt hat. Vielleicht ist mit folgender abgewandelter Tocotr…
Dein Eintrag gibt mir schon zu denken. Ich fühle mich ohne meinem Blackberry unwohl. Eigentlich habe ich ihn auch immer dabei. Einmal ist es mir letzte Woche passiert, dass ich Ihn vergessen hatte… wie gesagt, es war kein gutes Gefühl. Wie es scheint, bin ich also in einer gewissen Art abhängig.
Im Grunde ist dieser Drang dauernd erreichbar zu sein schon fast wie eine Sucht. Wird aber oft nicht erkannt…