Havas Media Lab Direktor Umair Haque stellt sich die Zukunft der Zeitung als Nischenangebot vor. In seinem Nichepaper Manifesto stellt er Regeln vor, nach denen Verleger die Geschäftsmodelle ihrer Printaktivitäten retten können sollen.
Umair Haque ist neben Jeff Jarvis der profilierteste Medien-Publizist derzeit. Seine Thesen sind oft bestechend — teilweise stößt er damit auf Ablehnung, meist, weil die Empfänger seiner Botschaften Verteidiger bestehender Systeme sind und daher revolutionäre Ansätze, die an Grundfesten rütteln, ablehnen.
Die wichtigsten Regeln des Nichepaper Manifesto lauten:
- Wissen, nicht Neuigkeiten: Zeitungen sollten tiefgehendes Wissen anstelle von Neuigkeiten vermitteln.
- Dialog, nicht Leserbriefe: Anstatt Inhalte auszusenden und Leserbriefe kommentarlos abzudrucken, sollten Zeitungen mit ihren Lesern in den Dialog treten, um Mehrwert daraus zu schöpfen.
- Themen, nicht Artikel: Aus Nachrichtenströmen lassen sich Themen entwickeln, die Wissen vermitteln.
- Verknappung, nicht Beliebigkeit: Gründlich recherchierte Themen sind selten und daher das Gegenstück zu austauschbaren Informationsschnipseln.
- Jetzt, nicht gleich: Nacherichtenströme sind im Fluss, verändern sich laufend und beziehen den Leser als Wissensempfänger und Mitgestalter mit ein.
- Provokation, nicht Perfektion: Perfekte Grammatik und Überschriften sind austauschbar. Provozierende Thesen, das Kantige und Eckige zeichnet die Nichepaper aus.
- Schneebälle, nicht Ausverkauf: Guter Journalismus recherchiert und lässt den Leser über das Ergebnis befinden. Unabhängig von Werbetreibenden, die im heutigen Geschäftsmodell tonangebend sind und daher ungern kritisiert werden.
- Inhalt, nicht Technik: Technische Kanäle wie Blogs, Microblogs, etc. sollen bewusst und nicht als Selbstzweck eingesetzt werden. Was zählt ist der Inhalt.
Haque nennt Talking Points Memo, Perez Hilton, Business Insider und die Huffington Post als erfolgreiche Versionen des Nichepapers. Sie alle haben dem Trend zur Beliebigkeit widerstanden und nischen-spezifische Eigenarten zu ihren hervorstechenden Eigenschaften gemacht.
Zeitungen bestehen aus den Nachrichten von gestern, Nichepapers dagegen bringen bedeutsame Themen, die die Leser am meisten interessieren. Meiner Ansicht nach geht vor allem dieZEIT diesen Weg, der zumindest bisher mit einer steigenden Auflage in einem insgesamt schwachen Markt belohnt wird.
Die Zeitungen können natürlich nicht mit dem Internet mithalten, was die Geschwindigkeit angeht. Aber, gut recherchierte “Artikel” werden auch in Zukunft den Printmedien überlassen sein. Viele der “Nachrichten” im Web reißen nur die Story an aber können natürlich auch in der Kürze der Zeit nicht in die Tiefe der Materie gehen. Daher schließe ich mich dem Autor an und bin davon überzeugt, dass Zeitungen und Magazine noch lange nicht tot sind.